Bachata: Neues von den Klassikern

Die Bachata ist ein einzigartiges Phänomen. Da hat sich im Verlauf der letzten vierzig Jahre, die musikalisch und auch sonst zumindest in der zweiten Hälfte von zunehmender Elektronisierung geprägt waren, eine schlichte dominikanische Gitarrenmusik durchgesetzt, deren Boom nun schon eine ganze Weile andauert und dessen Ende nicht einmal entfernt absehbar ist.

Bestechend und einfach, ohne banal zu sein, kommt dieses Gitarren-Bass-Bongo-Guira-Gesang-Konzept daher, das auch ohne Schnickschnack und Electro-Gimmicks von moderner Direktheit ist. Eine Chemie, an der nicht viel geändert werden kann. Obschon Aventura am Sound herumschräubeln und das wohl auch in Zukunft tun werden, müssen sie sich an die ergreifende Schlichtheit halten, wenn sie denn fürderhin Bachateros sein wollen. Wie gut aber die Bachata innerhalb ihrer Gesetze ausbaubar ist, zeigt Aventuras „Hermanita“, welches dieser erfahrene Musikjournalist zu den besten Songs ever made zählt. Hinterfotzig zurückhaltende Rhythmik und Melodik, überraschende Tempo- und Harmoniewechsel, innovative Gitarren-Kürzel, eine packende Geschichte. Man darf gespannt sein, was Aventura auf ihrer neuen CD, die dieser Tage herauskommt, so alles anstellen.

Und wie geht’s den Klassikern in der República? Sie kümmern sich kaum um modischen Schnickschnack und liefern klassische CDs ab, und zwar - das gilt vor allem für Raulín Rodríguez (36) mit „A dónde iré sin tí“ - bessere als zwischenzeitlich auch schon. Der von Ibio Calderón geschriebene Vallenato „Se me salen las lagrimas“ wird als Bachata zum Heuler des neuen Sets und ist, wie Raulíns beste Ohrwürmer, tatsächlich wieder einmal zum Weinen schön. Es folgen mit zwei Bachata-Versionen von Sones des leider tödlich verunglückten Polo Montañez interessante Ausflüge nach Kuba, der Abschluss mit „Guantanamera“ wiederum wirkt eher bemüht. Trotzdem: Raulíns bester Effort seit langem.

Als einer der stabilsten und gleichzeitig gesanglich intensivsten Bachateros hat sich inzwischen der 36-jährige Yoskar Sarante etabliert, obschon er vor zwei Jahren mit einer lebensgefährlichen Hirnhautentzündung darniederlag und sogar schon totgesagt wurde, worauf er, frei nach Charles Aznavour, mit „Viví“ reagierte. Sarante zeigt mit der aktuellen CD „Parade 37“ erneut, wie ein kreativer Gitarrenbreak, eine plötzlich an „James Bond“-Melodik erinnernde, ultrakurze Passage einer Bachata Pfupf zu geben vermag. Im Bachata-Konzept ist viel Platz für ungewöhnliche musikalische Wendungen, ohne dass damit gleich das Genre neu erfunden werden müsste. Neben Sarantes Organ ist es wohl dasjenige des jüngeren Zacarias Ferreira, das in der gegenwärtigen Bachata am kräftigsten dominiert. Ferreiras vital klagender Tenor hievt auf seiner letzten CD „Quiereme“ selbst eher mediokres Material weit über den Durchschnitt der Bachata-Produktionen hinaus, da Zacarias Gesang immer durch Eindringlichkeit überzeugt.

Neben Sarante hat sich heute vor allen anderen der besonnene und weise Joe Veras (42) durchgesetzt, seine aktuelle CD „La Travesía“ dürfte die wichtigste unter den Novitäten sein. Der Set springt einen vielleicht nicht unmittelbar und spektakulär beim ersten Hören an, die Schönheiten und Qualitäten von „La Travesía“ blühen erst bei näherer Beschäftigung mit dem Mateial auf. Joes Bachata-Auffassung ist stets elegant, gleichzeitig tönen die Songs oft ländlich volksliedhaft. „Doctora“ etwa hat mit dem Sänger-Chor-Antwortspiel etwas von einem Abzählreim eines Kinderliedes, die Gitarren pluckern effektiv, ohne Leerlauf und kreativ-prägnant mit kleinen überraschenden Melodie- Modulationen und Verzierungen daher. Veras’ Konzept bleibt bis zu den beiden letzten Nummern, der Merenbachata „Mujercita buena“ und der Reggae(ton)bachata „Que es lo que me gusta“, schlicht und doch farbig, womit Joe beweist, dass man sich als Bachatero auch heute noch kaum von den Roots zu entfernen braucht, um hocherfolgreich zu sein. Als herausragend erweist sich im übrigen das meisterliche Titelstück „La Travesía“, zu welchem ein hübsches Video in Kolumbien gedreht wurde. Was wie eine Verbeugung wirkt, verdanken doch viele Bachatas - eben auch „La Travesía“, dessen Gitarreneinstieg wie eine Art Akkordeon-Imitation tönt - den kolumbianischen Vallenatos starke Impulse.

Zu guter Letzt: wer die „Bachatahits 2007“ kauft, hat alles in Beispielen und einer guten Auswahl beisammen, seien es die oben besprochenen Herren plus den immer genialen Alex Bueno plus Antony Santos plus den ewigen Wert Frank Reyes mit seiner - man sollte sich nie besoffen mit der Geliebten herumstreiten! - reuigen Eigenschelte „El Alcohol“ plus Miguel & Bernie plus Christian Christian plus plus...