Daniela Mercury

Die Grande Dame ist zurück

Drei Jahre hat die 44-jährige brasilianische Axé-Königin Daniela Mercury geschwiegen - zumindest auf Tonträgern. Mit der CD „Canibália“ tritt sie vital wie eh und je wieder ins Rampenlicht.

2006 wurde Daniela Mercury für das Meisterwerk „Balé Mulato“ ein Latin Grammy verliehen und sie brauchte wohl eine kreative Pause. Das Warten hat sich gelohnt, „Canibália/ Trio Em Transe“ ist beste Wertarbeit. Wie immer operiert Daniela aus ihrem kulturell und musikalisch vielfältigen Umfeld in Salvador da Bahía heraus. Axé, der moderne bahianische Sound, wurde von Daniela Mercury entscheidend mitgeprägt. Mit „Axé“ beschwört man an sich die Götter im Candomblé, der afrobrasilianischen Variante von Santeria. Der in den 80er-Jahren in Salvador teilweise spontan während des Carnavals entstandene Musik-Mischstil gleichen Namens vereint sambanahe Perkussion (Batucada) mit Funk, Rock und Reggae sowie anderen karibischen Sounds zu komplexen, typisch brasilianischen Hybriden.

Daniela Mercury etablierte sich um 1990 herum als bahianische Integrationsfigur. Sie war die erste Frau, die am Carnaval wie eine singende Aphrodite von einem Trio-Eléctrico-Wagen - einer Art Sound System - herunter der tanzenden Menge einheizte. Ihre formenreichen CDs vermitteln Axé stets als universelle Musik, bezeichnenderweise betitelte sie ihre CD von 2001mit „Sou De Qualquer Lugar“ (Ich bin von Überall).

Die Traditionalismen verbindet Mercury immer mit aktuellen Sounds. Aus all den kostbaren und bunten musikalischen Fäden, die ihr zur Verfügung stehen, webt Daniela Mercury auch das neue Opus zu einem reichen Teppich. Unterstrichen werden solche Intentionen durch die Texte, hier am bündigsten in der wunderbaren letzten Zeile des ersten Songs „Trio Em Transe“ zusammengefasst: „Ser Fellini e fim“ (Fellini sein und Schluss).

So wie der italienische Regisseur das Leben in seiner schillernden Farbigkeit einfing, lässt auch Daniela in „Trio Em Transe“ zu Brasil-Hip Hop den bunten Kanon bahianischer Kultur Revue passieren. Sie will sich „jeden Tag in eine andere Person“ verwandeln, möchte sowohl göttlich als auch teuflisch sein, in die Haut der Heldinnen Tieta und Gabriela aus den Romanen von Jorge Amado schlüpfen und „fazer do imundo poesia“ (aus Schmutz Poesie reimen). Als Botschafterin von Bahias Kultur, mit der sie sich identifiziert, widmet Daniela viele der Songs bahianisch eingefärbten Themen, zupft hier an einer Wurzel und möbelt dort einen traditionalistischen Strang modern auf. Im „Preta“ (Schwarz) zum Beispiel geht es um Candomblé, während „Dona Desse Lugar“ (Besitzer dieses Ortes) die indianischen Ureinwohner würdigt. Die kulturelle „Didaktik“ ist musikalisch stets attraktiv verpackt, wobei Mercurys unverwechselbarer und sehr schöner Gesang im Vordergrund steht, sozusagen über der lärmigen Batucada (Perkussion) beispielsweise von „Oyá Por Nós“ dominant schwebend.

Die Songs sind locker in thematische Blöcke eingeteilt. Der Samba-Reggae „Sol Do Sul“ und - einziger Ausfall - eine ziemlich überflüssige Version des Interlatino-Gassenhauers „A Vida Es Um Carnaval“ kontrastieren plakativ zu ziseliert durchkonzipierten Preziosen wie dem rhythmisch vertrackten „Benção Do Samba“ (Segen des Samba) und vor allem einer jazzig hingehauchten Interpretation von Chico Buarques „O Que Será“. Ein Set so reich wie Fellini eben.