Juanes hält seinen Qualitätsstandard

Rund zwanzig Jahre nach „La Colegiala“ setzte sich 2004 mit „La Camisa Negra“ von Juanes wieder eine kolumbianische Pop-Cumbia international durch. Der 36jährige Latino-Rocker aus Medellín hat jedoch mehr zu bieten als Hitfabrikation und gutes Aussehen.

Vor vier Jahren ärgerte sich Juanes. Da schickte er eine Pop-Cumbia sozusagen als musikalische Botschaft seines Landes rund um den Globus und ausgerechnet im Ur-Latinoland Italien verunsicherten Rechts-Skins mit der Vereinnahmung des Songs die Öffentlichkeit über die edlen Intentionen eines zwar traurigen aber absolut harmlosen Liebesliedes. Da die italienischen Faschisten schwarze Hemden trugen, sind diese in unserem südlichen Nachbarland bis heute rote Tücher geblieben. In Lateinamerika, so stellte Juanes damals klar, trage man schlicht schwarz, wenn man trauere.

Missverständnisse, Missbrauch und Unwissen gehören zu den enervierendsten menschlichen Defekten. Deshalb ein wenig Aufklärung. Ähnlich wie seine Landsfrau Shakira hatte Juanes vor dem internationalen Durchbruch bereits einen langen musikalischen Weg hinter sich gebracht. Juan Esteban Aristizabal stammt aus Medellin und wurde in eine Mittelstandsfamilie hinein geboren, wo man viel Musik macht und hört: heimatliche Vallenatos und Cumbias, aber auch, bedingt durch die familiäre Herkunft, argentinische Folklore. Der 14-Jährige begeisterte sich für Rock und lernte Gitarre, die er heute virtuos beherrscht. Mit der Band Ekhymosis veröffentlichte Juanes sieben CDs und ging dann 1999 nach L.A. Die vier bisherigen Solo-CDs brachten ihm allmählich den internationalen Ruhm, die Sets bestechen nach wie vor durch eine clevere Mixtur aus gradlinig lyrischem Rock und Música colombiana.

Genaues Hinhören lohnt sich bei Juanes stets, erfährt man doch bei aller universellen Kompatibilität Interessantes über Kolumbien. Der Song „Rosario Tijeras“ von „Mi Sangre“ zum Beispiel bezieht sich auf die Titelheldin eines Romanes des Kolumbianers Jorge Franco, der 1999 wie eine Bombe einschlug und packend die zerrissene Seele des schwierigen, aber faszinierenden Landes in der Figur einer jungen Frau portraitiert.

„Mi Sangre“ kam vor allem mit musikalischen Rockismen ausgesprochen weltläufig daher und wurde dementsprechend zum Welterfolg. Sprachlich stets in spanisch. Was auch für die aktuelle CD „La Vida es un Ratico“ zu gelten scheint, entdeckte man nicht plötzlich in „Bandera de Manos“ deutsche Zeilen: „Wir wollen alle eine andere Flagge / sie steht für keine Nation oder irgendein Land / Weg mit den Grenzen, mit den ganzen falschen Ideen / und all den Ängsten, die gemacht sind / um uns jeden Tag niederknien zu lassen.“ Der da mitsingt, ist Campino, der Sänger der Deutsch-Punk-Band Die toten Hosen, und die Musik switcht von synkopierter kolumbianischer Cumbia leichtfüssig zu einer Art Punk und zurück.

Der etwas blauäugige Altruismus, den die beiden musikalischen Exponenten ihrer Sparte und Länder verbindet, besitzt der Herkunft gemäss unterschiedliche Gründe. Campino hat wohl den wiederaufkeimenden Rassismus in Deutschland im Auge, während Juanes auf jeder CD mindestens einen Song verschlüsselt auf den seit Jahrzehnten andauernden Bürgerkrieg in seiner Heimat Kolumbien bezieht. Hier ist es das sehr schöne „Minas Piedras“, das in countryartig melodiöser Llanero-Musik zu Mandoline und Pedal Steel-Gitarre den Krieg beklagt, der - so der Text - das Meer mit dem vergossenen Blut braun färbt und den sogar die Bäume beweinen. Wie auch in seinen früheren Sets verbindet Juanes auch auf der aktuellen CD oft geschmeidige kolumbianische Vallenato-Melodik mit Rock und er zollt mit „Tres“ dem traditionellen Vallenato samt obligatem Akkordeon einen Tribut.

Zu guter Letzt: Spanisch ist die zweitwichtigste Weltsprache, die Latinos stellen mittlerweile die zweitgrösste Bevölkerungsgruppe in den USA und Lateinamerika wird neben dem gehypten Asien in Zukunft eine zunehmend wichtige Rolle in der Weltwirtschaft spielen. Juanes bedient sich eines anschaulichen und unkomplizierten Spanisch und seine Texte eignen sich deshalb gut für Sprachstudien.

Juanes: „La Vida es un Ratico“, Universal

Konzert: Live At Sunset, Dolder Eisbahn Zürich
Samstag, 19. Juli 2008


Juanes




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