Seu Jorge im Kaufleuten Zürich!

Brasiliens Superstar Seu Jorge vereinigte 2005 auf dem Album «The Life Aquatic Studio Sessions Featuring Seu Jorge» die wohl schönsten Interpretationen der grossen Hits von David Bowie, von «Ziggy Stardust» über «Rebel, Rebel» bis hin zu «Life on Mars?».

Am 28. Mai 2017 spielt Seu Jorge diese grossartigen Covers noch einmal, live und exklusiv Kaufleuten Zürich. Ein Highlight des Konzertfrühlings 2017.

KONZERT: So 28.5.17, 20.00, Kaufleuten Zürich
INFOS: http://www.allblues.ch/Seu-Jorge/1994



Seu Jorge - Aus den Favelas zu den Sternen


"Eu Sou Favela" (Ich bin Favela) lautet der Titel des letzten Songs auf dem Album "Cru" von 2004. Womit in drei klaren Worten die Herkunft Seu Jorges aus einem der rund achthundert Armenviertel Rio de Janeiros umrissen ist.

Da hat sich einer buchstäblich aus der Gosse nach oben gearbeitet. 1970 in Belford Roxo (Rio) geboren, interessiert sich Jorge Mario da Silva, wie er eigentlich heisst, schon als Kind stark für Musik. Bereits mit zehn frequentiert er Samba-Schulen und lebt mit neunzehn etliche Jahre on the road, wo er auch mit Theater in Berührung kommt. Ab 1998 betätigt sich Seu Jorge vorwiegend als professioneller Musiker.

Internationalen Ruhm brachte Jorge 2002 das knallharte Favela-Epos "Cidade de Deus" ein, in welchem ihm die Rolle des Mané sozusagen auf den Leib geschrieben war. Ein Jahr später folgte mit "Cru" (Roh) - der Titel ist da Programm - Jorges erstes wirklich wichtiges Album, welches auf vorwiegend krudem Samba, der oft vom Quietschen rudimentärer Idiophone wie der Cuíca durchzogen ist, jene für Seu Jorge künftig typischen satirischen Texte portiert.

Ironie
Anlässlich des aufsehenerregenden Albums "América Brasil - O Disco" von 2007 gingen Jorge sowohl die Rockfans als auch die Aficionados der Música Popular Brasileiro auf den Leim. Erstere fanden das Krachige in "América" superprogressiv, während letztere das Werk als einen Absturz in den Kommerz empfanden. Beide Lager nahmen "America" zu ernst, denn das Album ist eine deftige Satire. "Samba Rock" heisst ein Song, was die Musik über weite Strecken charakterisiert. Die Instrumentierung bleibt spartanisch. "América do Norte" etwa wird auf einem elektrisch verzerrten Cavaquinho, jenem kleinen Haupt-Saiteninstrument des Samba geschrammelt, dann explodiert plötzlich das Schlagzeug, während die Cuíca zur E-Violine dazwischen quietscht. Die Songs tragen plakative Titel. In "Trabalhador" (Arbeiter) nölt Jorge durch einen billigen Vocoder zur Rockunterlage und einer Mundharmonika, eine Nettigkeit wie "Burguesinha" (Kleine Spiessbürgerin) hüpft auf einem koketten Kungfu-Fighting-Discobeat dahin: die Satire ist unüberhörbar. Was auch für "Voz da Massa" (Stimme der Masse) gilt, wo ein profaner Allerwelts-Samba zelebriert wird. Über weite Strecken zitiert hier Jorge spöttisch den Einfluss von US-Pop auf die brasilianische Musik.

Spott
Auf der CD "Seu Jorge and Almaz", die er 2010 mit der gleichnamigen Gruppe einspielte, ging der Provokateur noch einen Schritt weiter in Richtung brachial-minimalistischer Neo-Psychedelia. Klassiker wie "Tempo de Amor" erfahren eine brutale Demontage, mit einem witzigen Cover von Kraftwerks "The Model" wird spitz auf die mondäne Welt der modischen Schönheiten hingewiesen, zu welcher Brasilien stets einschlägige Damen wie Gisele Bündchen beisteuert; so manche Hübschheit versucht, über "Miss Favela-Wettbewerbe" aus der Armut zu entfliehen. Am Schluss des Albums wird mit "Juizo Final" (Jüngstes Gericht) ein Samba richtiggehend stranguliert. Aufregend ungemütlich.

Satire
Einen Schwenk hin zu anderen Sounds vollzog Jorge mit "Música Para Churrasco Vol. I" (2011) und Vol.II (2015). Auf rhythmischer Samba-Basis tröten US-Funk-Bläser aus den 70er-Jahren, Örgeli-Akkorde eiern wie zu jenen Zeiten herein und auch die Melodik erinnert etwa an Earth Wind & Fire. Die Texte von Songs wie "A Doida" (Die Verrückte), "Japonesa" (Japanerin) oder "Ela E Bipolar" (Sie ist zweipolig) bleiben dabei sarkastisch.

Diese musikalische Flexibilität und Unberechenbarkeit Seu Jorges lässt sich trotz allen musikalischen Unterschieden tatsächlich mit jener von David Bowie vergleichen. 2004/05 entstand denn auch im Umfeld des Filmes "The Life Aquatic", in welchem Seu Jorge einen gitarrenklimpernden Seemann spielt, ein einzigartiges Projekt: Jorge nahm eine CD mit Acoustic-Versionen von Bowie-Songs auf, die dieser selbst als die besten Fremd-Interpretationen seiner Lieder lobte. Hier schlüpfen aus dem Glamour der Glamrock-Originale wie "Ziggy Stardust", dem "Starman", oft exaltiert gesungene, transparente Varianten, die auch in der schlichten Form die grosse Qualität der Songstrukturen freilegen. Seu Jorge besucht Zürich nun mit diesem Bowie-Tribut.

[ Hans Keller ]