Neun Tracks en español, aber auf Shakiras neuem Album "El Dorado" ragen vor allem zwei Songs über den Rest hinaus.
Um es gleich vorweg zu nehmen: der Knüller auf diesem neuen Shakira-Album ist - hört, hört! - eine Bachata. Geschrieben von und mitinterpretiert durch Prince Royce, einen angesagten New Yorker Dominicano, besticht "Deja Vu" durch melodische Schönheit. Der 28jährige Prince Royce, alias Geoffrey Royce Rojas, erlangte 2009 auf der Latino-Szene Berühmtheit, als er mit seiner Version von "Stand By Me" die Nähe der Bachata zu den Soul- und Teenballaden der frühen 60er-Jahre aufdeckte und gleich auch musikalisch bewies. Berückende Melodieschlaufen und -girlanden verflechten und entflechten sich in "Deja Vu" mit eleganter Leichtigkeit über den transparenten Bachata-Viervierteln mit der typischen Extrabetonung auf der Vier - ein Instant-Klassiker! Charakteristisch für eine Bachata auch die Diskrepanz zwischen melodischer Schönheit und bitterem Inhalt, hier eben einem Deja Vu der ewig gleichen larmoyanten Leier in einer absterbenden respektive bereits abgestorbenen Liebe. G
ut möglich, dass Shakira wiederum einem dominikanischen Stil einen Welthit verschafft, wie damals mit "Loca" dem untergrundigen Merengue de Calle eines El Cata.
Gleich vor "Deja Vu" ist mit "La Bicicleta" ein Vallenato plaziert, sozusagen als Beispiel für den dominierenden Musikstil in Kolumbien. Auch hier zieht Shakira mit Carlos Vives eine obskure Grösse ans Licht der internationalen Musikszene. Vives, in seiner Heimat seit Jahren als Musiker und Tele Novelas-Schauspieler ein Superstar, verlässt sein Land nur selten - im Gegensatz etwa zu Juanes. Shakira bittet Vives in "La Bicicleta" um eine Mitfahrt auf dem Velo, unter anderem von ihrer Heimatstadt Baranquillo bis zu seiner Herkunft in Santa Marta. Der moderne Reggaeton-Beat, welcher "La Bicicleta" verpasst ist, zeigt Verwandtschaften zu Aktuellem auf. Und noch etwas zur Nachbarschaft von Vallenato und Bachata: etliche Vallenatos werden von den Dominikanern zu Bachata-Hits modifiziert.
Beim Gros von "El Dorado" handelt es sich indes häufig um modernen Latino Urbano-Sound, der von Reggaeton-Varianten vorwärts getrieben wird, wobei Shakira einschlägige Musiker wie den Kolumbianer Maluma oder den Reggaetoniker Nicky Jam zur Mitarbeit eingeladen hat. Luis Fernando Ochoa schrieb ihr, wie früher schon, elegische Balladen wie "Nada" über emotionale Entfremdung auf den Leib und sein witziges "Coconut Tree" beschreibt slapstickartig und ironisch eine Flucht auf die einsame Insel mit Palmen am Strand. Kommt jedoch alles weder an "La Bicicleta" oder gar "Deja Vu" heran; nachdem Shakira mit International-Pop viel Geld gemacht hat, wünscht man ihr in Zukunft Glück beim vielleicht weniger lukrativen aber kreativ ergiebigen Wurzelgraben!
Hans Keller
Shakira: "El Dorado", Sony