Solo Dos: Dynamische Rap-Konflikte

Die dominikanischen Brüder Isaias und Thony Vega haben ihre Jugend am Genfersee verbracht. Ihre Band Solo Dos kann sich problemlos mit den einschlägigen Koryphäen der Latin Hip Hop-Szene messen.

Sonntagmorgen um halb zwei. Solo Dos bestreiten samt DJ und Band den letzten Gig des diesjährigen Caliente mit ihrer dynamisch-knackigen Auffassung von Latin Hip Hop. Isaias und Thony Vega gehen immer wieder rappend aufeinander los, die Sängerin/Rapperin Ursina interveniert effektvoll. Eine clevere Ménage a trois. Selbst der Hit «Si Tú Supieras», der vor rund drei Jahren die Schweizer Charts hochkletterte und viele Leute glauben liess, Solo Dos sei eine Bachata-Band, kommt im lärmigen Hip Hop-Gewand daher.

Der 35jährige Isaias Vega und sein  30jähriger Bruder Thony sind in der Romandie aufgewachsene Dominicanos et - charmant! - on parle très bien le français. Im frankophonen Raum stellten die beiden Raperos vor Solo Dos schon Formationen wie Double Pact auf die Beine. Latin Hip Hop funktioniert für gewöhnlich wie ein Schwamm, der Verschiedenstes aufzusaugen vermag. Die erste Solo Dos-CD „Barrio Story“ (2005) hört sich wie eine Wundertüte an, die mit den Efforts der kubanischen Orishas vergleichbar ist, jedoch durch die dominikanischen Elemente einen eigenständigen Drall erhält. Stücke wie „Lo Quiero to’“ funktionieren überdies wie stilistische Lehrgänge. Der auf dem Akkordeon vorgetragene kolumbianische Cumbia-Shuffle wird nach ein paar Takten von einem Reggaeton-Beat untermauert, womit die Verwandtschaften freigelegt wären.

Interessant wird es vor allem dort, wo sich Solo Dos der Bachata und dem Merengue - also ihrer heimatlichen Musik - annehmen. „Si Tú Supieras“ verquickt Bachata mit dem schreitenden Groove einer kubanischen Guajira. „Como Olvidar?“ wiederum greift ein erstaunliches Phänomen auf: die pluckernden Figuren der Gitarre erinnern an „Diana“ von Paul Anka und zeigen die Nähe gewisser Bachatas zu den verschmusten Teen-Balladen der späten 50er-Jahre auf. Und was den Merengue anbelangt: einer musste rein, und auf „Te Pone A Goza’“ vertritt das Faktotum Fidel Pérez am Schabeisen Guira und der Tambora, den Grundinstrumenten des Merengue, die Zürcher Dominikaner-Szene.

Die aktuelle CD „Cocolo Juice“ - Cocolo nennt man in der República Dominicana alles, was mit schwarzer Kultur zu tun hat -  wirkt straffer als das Debut. Reggaeton und Merengue gibt’s diesmal nicht, aber bei den beiden bisherigen Single-Auskoppelungen „Perdón“ und „Gloria“ handelt es sich wiederum um Bachatas. Erstere swingt melodiös-klassisch mit einem eigenwillig schrillen Sirenengesang von Julie Herrwann und Cristina Alvarez im Mittelteil daher, auf letzterer wird die Bachata-Rhythmik als Grundlage zu Rap benutzt. Die Raps können sehr engagiert sein. „La Renta“ zum Beispiel handelt von einer Minderjährigen, die von ihrer Mutter aus Armut zur Prostitution gezwungen wird. Das Song-Paar „Ghetto Boy“ und „Baby Boy“ ist sowohl melodisch, als auch von den Beats und den Falsettgesängen her stark von modernem R&B beeinflusst, wobei sich die Gebrüder Vega als Erfinder origineller Refrainmelodien erweisen. Überhaupt sind es nicht zuletzt die geschickt eingebauten kreativen Details - etwa der Einsatz einer Trompete in „Desperado“ - welche Solo Dos über den Latin Hip Hop-Durchschnitt hinausragen lassen. Mit Solo Dos besitzt die grosse dominikanische Community in der Schweiz jedenfalls einen hausgemachten, hochkreativen Act.
  
„Barrio Story“ (2005), SIDo Music
“Cocolo Juice” (2008), TBA AG