Tango Fire: Das ewige Feuer des alten und modernen Tango

Die 1986 in Buenos Aires gegründete Tanzgruppe Estampas Porteñas präsentiert mit der Show „Tango Fire“ auf bestechende Art die Geschichte des Tango.

Die Bühne ist in glutrotes und rauchiges Ambiente getaucht. Wir befinden uns offenbar in einer sogenannten Milonga im Buenos Aires des frühen 20. Jahrhunderts. Hinten ist, manchmal nur als schwarze Silhouetten erkennbar, das vierköpfige Orchester bestehend aus Pianist, Cellist, Bandoneonspieler und Geiger platziert, im Vordergrund tummeln sich elegante Damen und Herren. Zu „Corralera“ tanzen dann fünf Paare eng aneinander geschmiegt mit schlichten, aber relativ schnellen Schritten und Drehungen.

„Corralera“ ist eine Milonga und demonstriert wird hier gleich die Mehrdeutigkeit des Begriffes: Milongas sind als Musikstücke lebhafte Vorformen des Tango, Milongas werden aber auch generell die Örtlichkeiten genannt, wo man Tango tanzt. „Tango Fire“ bietet also ohne Worte locker musizierte und vorgetanzte Tangogeschichte. Nun hat sich der hochgewachsene Sänger Javier Di Ciriaco vor dem Mikrofon aufgebaut und schmettert inbrünstig „Mi Buenos Aires Querido“ von der Tangolegende Carlos Gardel (1890-1935). Die Tänzerinnen und Tänzer sind an die Tischchen gehuscht, denn zu gesungenem Tango wird in der Regel nicht getanzt.

Die Choreographien von Carolina Soler und ihrer zehnköpfigen Profi-Gruppe sind von bestechender Leichtigkeit und Eleganz. Zur vifen Milonga „El Firulete“ geraten sich die geschniegelten Machos auf der Bühne in die Haare, was in eine akrobatische „Schlägerei“ ausartet und gleichzeitig demonstriert, wie unfein es in den Milongas auch zu und her gehen konnte. Der Tango galt denn auch lange Zeit infolge seiner kreolisch-hispanischen Unterschicht- und Emigranten-Abstammung in der besseren Gesellschaft von Buenos Aires als verpönt. Erst als er in den 10er-Jahren des letzten Jahrhunderts in Paris Furore machte, wurde er auch in seiner Heimat breit akzeptiert. Demonstriert werden diese Vorgänge hier geschickt mit „Canaro en Paris“, das die Paare in kontinental eleganten, ockergoldenen Anzügen und Röcken tänzerisch interpretieren. Am Ende des ersten Teiles dürfte dann auch den Laien im Publikum ein Aha-Effekt beschert werden, denn „La Cumparsita“ wurde durch eine Endlosversion im Filmklassiker „Some Like It Hot“ weltberühmt.

Der zweite Teil ist der Gegenwart des Tango gewidmet, der nostalgische Hauch hat sich verzogen. Es ist übrigens in der gesamten Show kaum etwas von der vielbeschworenen „getanzten Traurigkeit“ des Tango zu verspüren: Power statt Trauer. Akrobatische Einlagen, im rasanten Tempo zwischen die Beine des Partners platzierte, Ganchos genannte Kicks sowie schnelles Fegen über die Bühne beherrscht die Szenerie. Musikalisch werden die Choreographien vorwiegend vom anspruchsvollen und oft schrägen Tango Nuevo untermalt, wie ihn Astor Piazzolla (1921-1992) vertrat. Kurz vor Schluss brilliert dann das ausgezeichnete Orchester mit „Adiós Nonino“ nochmals besonders, hier wird zwischen dem rhythmisch-brachialen Donnern des Flügels und den süssen Melodien der Geige eine besonders reiche Palette musikalischer Facetten bedient.

Zürich, Maag Music-Hall
10. – 22. April 2007